Nebenstehende Abbildung skizziert ein Szenario, in dem ROOF WATER-FARM die nächste Innovationsphase bereits erreicht hat. Es benennt strategische Ansatzpunkte und Elemente, die für die Umsetzung und Verbreitung von ROOF WATER-FARMen wichtig sind, und dient damit als Orientierung für alle Beteiligten, die ROOF WATER-FARMen voranbringen wollen.

In diesem Szenario gibt es bereits einige professionelle Betreiber (Leitbetriebe), die durch Erfahrungsammeln und Schritt-für-Schritt-Weiterentwickeln eine ganze Reihe von operativen Problemen gelöst haben: Technische Prozesse sind mit ausreichender operativer Erfahrung untersetzt, so dass die Prozessstabilität und die verringerten Durchflussmengen keine operativen Probleme mehr darstellen. Diese Leitbetriebe haben insbesondere funktionierende Geschäftsmodelle entwickelt und Kundenbeziehungen (CRM: Customer Relationship Management) aufgebaut und geregelt: Sowohl in Betreiberverträgen mit den Gebäudeeigentümern als auch für die Vermarktung ihrer Lebensmittel, denn ein aufnahmebereiter Lebensmittelmarkt ist Grundvoraussetzung für ein funktionsfähiges RWF-Geschäftsmodell.

Dass sich dieser Lebensmittelmarkt entwickeln konnte, liegt im Wesentlichen an der Professionalisierung der ROOF WATER-FARM-Betriebe: Die RWF-Lebensmittel sind zwar noch teurer als vergleichbare Waren im Hochpreissegment, aber nicht mehr unerschwinglich. Dabei werden insbesondere die allseits aus dem Boden sprießenden Spartenmärkte bedient: von veganen über die verpackungsfreien bis zu regionalen Supermärkten. Auf den Märkten ist urban food aus ROOF WATER-FARMen immer vertreten und ergänzt die Direktvermarktung über Kisten, Abos und Lieferdienste. Geholfen hat dabei auch die öffentlichkeitswirksame Belieferung angesagter Restaurants, und dass die ökologischen Anbauverbände auch für den bodenlosen Pflanzenanbau Richtlinien erarbeitet haben und ein entsprechendes Biosiegel vergeben.

Dritter wichtiger Ansatzpunkt ist, dass es für alle Beteiligten Klarheit über den rechtlichen Rahmen, die Genehmigungsvoraussetzungen und -abläufe gibt.

ROOF WATER-FARM-Konzepte treffen auf eine wohlwollende Öffentlichkeit, sind politisch durchaus gewollt und werden daher vom Stadtplanungsamt und später von der Bauaufsicht als „städtebaulich vertretbare“ Ausnahme nach dem Baugesetzbuch genehmigt.

Auch bei der vergleichsweise heikleren Genehmigung des Inverkehrbringens von Lebensmitteln, die mit aufbereitetem Abwasser produziert wurden, hat sich etwas getan: Ein amtlich zugelassener Sachverständiger hat auf der Basis von mehreren Referenzstudien ein Gutachten erstellt, das die Verkehrsfähigkeit dieser Produkte bescheinigt und der bezirklichen Veterinär- und Lebensmittelaufsicht bzw. dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) als Genehmigungsgrundlage dient. Noch nicht abschließend gelöst ist der Umgang mit dem Anschluss und Benutzungszwang, der nach den Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE) für große RWF-Anlagen eine Ausnahmeregelung erforderlich macht. Da es bislang aber noch nicht so viele Leitbetriebe gibt, stellt es für die Berliner Wasserbetriebe noch kein nennenswertes Problem dar. Bei der angestrebten weiteren Verbreitung von RWF-Anlagen muss hierfür auf jeden Fall eine Regelung getroffen werden.

Allerdings sind weder der Lebensmittelmarkt, noch die Genehmigungspraktiken vom Himmel gefallen. Vielmehr sind sie auch ein Ergebnis von Lobbying-Aktivitäten. Hierfür haben sich die RWF-Protagonisten und Befürworter, wie bspw. die Grauwasseranlagen-Hersteller, RWF-Betreiber, interessierte Planer und Architekten, Gastronomie und Lebensmittelvermarkter, auch einzelne Gebäudebesitzer, Politiker und Privatpersonen, zu einem Verein zusammengefunden, der sich möglichst bald zu einem Branchenverband weiterentwickeln will. Der Verein nutzt die weiterhin hohe öffentliche Aufmerksamkeit für RWF für eine offensive PR-Arbeit. Vor allem aber macht er Kontakte und informiert in Richtung potenzieller Investoren wie etwa Gebäudeeigentümer und Baugruppen und in Richtung der wichtigen Intermediäre wie etwa Architekten und Gebäudetechnikplaner. Denn die Umsetzung von RWF-Varianten ist immer noch voraussetzungsreich: zweites Leitungsnetz, Wasseraufbereitungstechnik, Lastenaufzug sind massive Investitionen in die Gebäude-Infrastruktur, die nicht einfach wieder zurückgebaut werden kann und einen langfristigen rentablen Betrieb erfordert. Dafür müssen finanzstarke und innovationsaffine Investoren mit belastbaren Informationen und überzeugenden Konzepten angesprochen werden. Das kann der Verein allerdings nicht alleine leisten.

Für ein wirkungsvolles Capacity Development arbeitet er mit dem ROOF WATER-FARM-Kompetenzzentrum zusammen. Hier werden beispielsweise die Erfahrungen der Leitbetriebe zu belastbarem Wissen zusammengetragen und Standards entwickelt, eine Demonstrationsanalage betrieben, die sowohl der Öffentlichkeitsarbeit als auch der Aus- und Weiterbildung dient und für Forschungszwecke eingesetzt werden kann. Hier wurde auch ein Energiekonzept entwickelt, das klar umreißt, unter welchen Bedingungen sich RWF-Anlagen energetisch und kostenmäßig tragen, so dass sie den Gebäudeeigentümern nicht den Gebäudepass nach EnEV verhageln, und das bevorzugt Abwärmenutzungsvarianten empfiehlt. Ein solches RWF-Kompetenzzentrum ist finanziell (noch) nicht tragfähig und wird einstweilen in einer Mischung aus öffentlicher Förderung, Stiftungszuschüssen, Mäzenatentum und Einnahmen aus Veranstaltungen und Weiterbildungen getragen.

Video rechts > RWF-Pressespiegel: Imagefilm zur Fördermaßnahme INIS im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), Autor: Karsten Knafla, gezeigt auf der Messe Wasser Berlin vom 24.-27.03.2015

Tipp der Redaktion: Informationsfilm zur BMBF-Fördermaßnahme INIS, ,,Adern der Stadt, Wasser und Abwasser für die Stadt der Zukunft” (Link unter: nawam-inis.de)

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