Anhand einer umfassenden Gebäudestudie für eine typische Zeilen-/Blockrandbebauung im RWF-Untersuchungsgebiet Innenstadt wurde die bauliche Realisierbarkeit des RWF-Konzeptes als blau-grüner Infrastrukturbaustein auf Gebäudeebene untersucht.

Am Beispiel der Typologie Wohnungsbau, die das höchste stadträumliche Potential aufweist (siehe GIS-RWF-Dachflächenanalyse), werden planerische Zugänge aus Architektur und Landschaftsarchitektur mit dem ingenieurtechnischen Know-how aus Wasser- , Gewächshaus- und Farmtechnik verknüpft.

In Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekturbüro Freiwald wurde die generelle bauliche Machbarkeit für alle vier RWF-Varianten am Beispiel der Wohnanlage des „Block 6“  untersucht. [1]

|Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus der Gebäudestudie Wohnungsbau

Der untersuchte Gebäudekomplex umfasst die beiden Hauseingänge 13 und 14 in der Dessauer Str. in Berlin-Kreuzberg mit einer potenziellen Dachgewächshausfläche von 400m² und ca. 70 Einwohnern. Es handelt sich um einen Bestandsbau und Teil der Blockrandbebauung des sog. Block 6, der als IBA-Projekt bekannt ist. Bereits seit Ende der 1980er Jahre ist hier eine sog. doppelte Wasserleitungsinfrastruktur für die getrennte Ableitung von Grauwasser (Küche-, Dusch- und Waschbereich) und gezielte Wiederverwendung als Betriebswasser realisiert.

Baukonstruktive Eignung und Erschließung der Dachfarm: Die gegebene Baustruktur als Massivbau in Beton- und Mauerwerksbauweise mit fünf Vollgeschossen ergibt aufgrund der Lastabtragsmöglichkeiten über die bestehenden Massivwände eine grundsätzlich „gute Eignung“ für beide Farmtypen im Sinne einer ROOF WATER-FARM als Dachaufbau. Eine zusätzliche statische Ertüchtigung in Teilbereichen (Fischtanks, Wassertanks) ist für den Farmtyp Aquaponik nötig. Die Haupterschließung erfolgt bei einem kommerziell betriebenen Produktionsgewächshaus über einen Personen- und Lastenaufzug. Die Investition ist umso rentabler, je größer das Dach bzw. das Gewächshaus ist.

Anbaufläche und Bedarfsdeckung Nahrung und Wasser: Bei den zugrundliegenden Flächenangaben orientiert an der DIN 277 ergeben sich folgende beispielhafte Überschlagsrechnungen, um eine mögliche Bedarfsdeckung der 70 Hausbewohner zu ermitteln. Bei einer Dachgewächshaus-Fläche von 400m² ergibt sich im Falle eines Produktionsgewächshauses und nach Abzug entsprechender Nebennutzflächen für WC, Personal, Arbeitsbereich, Technik sowie Verkehrs- und Erschließungsflächen eine Netto-Produktionsfläche von ca. 200m². Bei einem Anbauverhältnis von 1 m³ Fisch zu 6 m² Pflanze ergibt sich beim Farmtyp Aquaponik mit saisonaler RWF-Produktpalette wie etwa Salat, Erdbeere, Paprika, Aubergine eine jahresdurchschnittliche Bedarfsdeckung der Einwohner mit frischem Fisch (z.B. Wels, Schlei, Karpfen) von 80 % und mit frischem Obst/Gemüse von 70%. Beim Farmtyp Hydroponik erreicht die Bedarfsdeckung mit frischem Obst/Gemüse 90%. Der zugrundeliegende durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahresbedarf liegt bei 5,2 kg Fisch [2] sowie 68,7 kg Obst/Gemüse. [3]

Der Bedarf an Bewässerungswasser kann im Fall der Grauwasservariante vollständig gedeckt werden. Zusätzlich kann das Betriebswasser im häuslichen Bereich wiedergenutzt werden, und auch dort den Bedarf an Spül- und Waschwasser (Toilette, Waschmaschine) vollständig decken. Der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch an aufwendig produziertem und über weite Strecken transportierten Trinkwassers wird somit von 100 Litern auf 40 bis 50 Liter reduziert (siehe auch Wirtschaftlichkeit Grauwasser). Im Falle einer Regenwasser-Nutzung ist bei der Aquaponik eine Aufbereitung des Fischtankwassers oder alternativ der Anschluss an weitere Dachflächen zur Regenwassersammlung zu prüfen, da das anfallende Regenwasser von 400m²-Dachfläche zur Bedarfsdeckung der Hauptanbaufläche nicht ausreicht. [4]

 

|Für die weitere stadträumliche Übertragbarkeit ergeben sich folgende Ergebnisse:

  • Für die Typologie Wohnungsbau ergibt sich sowohl im Zuge städtischer Neubauvorhaben als auch von Umbaumaßnahmen wie Strangsanierungen, ein hohes Potenzial der Grauwasser-Varianten. Hier könnten sich monetäre aber auch siedlungswasserwirtschaftliche Vorteile (z.B. in Gebieten mit Mischkanalisation) ergeben.
  • Die bauliche Machbarkeit scheint sowohl für den Bestand als auch Neubau generell gegeben. Bei ähnlicher Bauweise ist von einer Übertragbarkeit auf weitere Baustrukturen wie Block-, Reihen-, Zeilenbauten auszugehen. Dies bedarf jedoch im Zuge der Genehmigungs- und Ausführungsplanung einer gesonderten statischen Prüfung.

|Ableitung von RWF-Gebäudepässen

In weiterer Vereinfachung der Ergebnisse der RWF-Gebäudestudie und als Planungs- und Kommunikationswerkzeug im Stadtquartier wurden RWF-Gebäudepässe entworfen. Sie bieten Anregungen für mögliche Umsetzungen von ROOF WATER-FARMen auf oder am Gebäude. RWF-Gebäudepässe enthalten Kenndaten, Grafiken und Charakteristika als Infokarten-Set mit folgenden Aussagen:

  • Gebäude-Karte: Architektur/ Bauweise, Baukonstruktion/ Statik, Regelgrundrisse, Ansichten
  • Farm-Karte: Farmdesign, Produktpalette, Erträge, Betreibermodelle
  • Wasser-Karte: Sammelflächen, Aufbereitungsflächen, verfügbares Regenwasser/ Grauwasser/ Schwarzwasser, Leitungsinfrastruktur, Nährstoffrecycling/ Düngung.

Beispielhaft für die drei Gebäudetypologien Wohnungsbau, Gewerbebau und Bildungsbau liefern die Gebäudepässe eine  Einschätzung bzgl. der weiteren Übertragbarkeit von ROOF WATER-FARMen auf die verschiedenen Gebäudetypologien und der Rahmenbedingungen.

RWF-Pressespiegel: 3Sat-Nano-Beitrag über die ROOF WATER-FARM Pilotanlage und Gebäudestudie am 30.09.2015, Ausschnitt aus der Originalsendung vom rbb-Filmbeitrag, Sendereihe “OZON unterwegs”: “Leise, sauber, grün – Visionen für Berlin” vom 15.06.2015 https://www.rbb-online.de/ozon/archiv/sendungen/Leise-sauber-gruen-Visionen-fuer-Berlin.html