Das dezentrale Regenwasserbewirtschaftungskonzept „Retention durch Evapotranspiration“ ist am ROOF WATER-FARM Standort Block 6 seit 2006/07 erfolgreich in Betrieb.[1] Hier wird das Regenwasser von 2 350 m² Dachfläche und 650 m² anliegender Fläche auf 1 000 m² Vegetation im Hof verdunstet. Die Vegetation im Regenauffangbecken besteht dabei aus den Sumpfpflanzen Schilfrohr (Phragmites australis) und Teichbinse (Schoenoplectus lacustris). Überläufe nach Starkregenereignissen versickern in einer angrenzenden Mulde.

Regenwasserretention als Maßnahme zum Schutz vor Überflutung nach Starkregenereignissen bezeichnet den Rückhalt von Regenwasser in ober- oder unterirdischen Speichern.[2] Die anschließende Evapotranspiration (ET) des gesammelten Regenwassers bezieht sich auf die Verdunstung des Wassers freier Oberflächen kombiniert mit der Transpiration durch die Spaltöffnungen der Pflanzenblätter.[3]
Das oben genannte Regenwasserbewirtschaftungsprinzip „Retention durch ET“ beruht auf den hohen ET-Raten der Sumpfpflanzen, die aufgrund der vergrößerten Blattoberfläche (Engl. leaf area index – LAI, dimensionsloser Blattflächenindex definiert als Blattfläche pro Bodenoberfläche) ein Vielfaches der Wassermenge im Vergleich zur freien Wasser- oder Bodenfläche verdunsten. Schilfrohr erreicht innerhalb einer Saison einen LAI von 4,4 – 6,8[4], Werte die von Straßenbäumen erst nach mehreren Jahren erreicht werden.
Weitere Vorteile des sonnenliebenden Schilfrohres und der Teichbinse für Regenwasserinfrastrukturen sind ihre Toleranz gegenüber Wassermangel, Hitzestress, schwankenden Wasserpegeln, verschmutztem Niederschlagsabfluss sowie der niedrige Pflegeaufwand.[4]

Für die Planung dezentraler Regenwasserinfrastrukturen wird eine Modellierung des Wasserhaushalts vorgenommen. Der größte Wasserfluss in sogenannten „Urban Wetlands“ ist die ET der Vegetation.[5] Die Modellierung bedarf daher exakter Informationen über ET-Raten von Sumpfpflanzen.

|Messprogramm

Mit Start des ROOF WATER-FARM Projektes wurde ein Messprogramm im Schilfbeet am Block 6 (52°31′27″N, 13°24′37″E, 36 m.a.s.l) eingerichtet. Vier Plastikfässer wurden in das Regenauffangbecken eingelassen, zwei bepflanzt mit Schilfrohr, eins mit Teichbinse sowie ein Fass als Vergleich ohne Bepflanzung (freie Wasserfläche).
Per Nachspeisemessung wurden die ET-Raten bei dauerhafter Wasserversorgung über einen Zeitraum von zwei Jahren (08.2014 – 07.2016) ermittelt.

|Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum lagen die jährlichen ET-Raten von Schilfrohr bei 2 034 mm Jahr pro Jahr (Fass 1) bzw. 1 721 mm pro Jahr (Fass 2) im Vergleich zu Teichbinse mit 1 445 mm pro Jahr und Verdunstung der freien Wasserfläche mit 710 mm pro Jahr. Die ET der Vegetation betrug damit durchschnittlich das 2,5-fache der Verdunstung der freien Wasserfläche.

Mit Blick auf die mittleren Tageswerte der ET zeigte sich ein stetiger Anstieg zwischen den Jahren 2014, 2015 und 2016, der auf das verbesserte Pflanzenwachstum im Allgemeinen und auf die Düngergabe (*) im Frühjahr 2016 im Speziellen zurückzuführen sind.
Des Weiteren bildete sich ein charakteristischer Jahresgang mit niedrigen ET-Raten im Frühjahr, die kontinuierlich bis Mai ansteigen (frühe Wachstumsphase), dann in die Hochphase übergehen (Juni bis August) und danach bis November abfallen (Seneszenz), ab. Teichbinse zeigte im Vergleich zum Schilfrohr in der frühen Wachstumsphase höhere ET-Raten, während Schilfrohr in der Hochphase mehr verdunstete. Über den gesamten Versuchszeitraum lagen die mittleren Tageswerte bei 9,2 mm pro Tag und 7,8 mm pro Tag für Schilfrohr und 6,9 mm pro Tag für Teichbinse.

Die gemessenen ET-Raten von Schilfrohr und Teichbinse liegen an diesem innenstädtischen Standort höher als unter natürlichen Bedingungen. Schilfrohr verdunstet unter natürlichen Bedingungen nur 1 305 mm pro Jahr [6]. Die hohen Raten im Experiment am Block 6 lassen sich auf die kontinuierliche Wasserversorgung, optimale Nährstoffversorgung und die erhöhten Temperaturen im Innenstadtbereich zurückführen.

|Schlussfolgerung

Die hohen ET-Raten der Vegetation verdeutlichen das große Potential, das die Sumpfpflanzen Schilfrohr und Teichbinse für die Regenwasserretention bieten. Im Vergleich zu anderen grünen Infrastrukturen, wie beispielsweise Dach- oder Fassadenbegrünung, weisen Schilfrohr und Teichbinse höhere ET-Raten und gesteigerte Toleranz gegenüber Schadstoffen im Niederschlagswasser auf.

Um die Flächenverdunstung von Sumpfpflanzen dauerhaft und wartungsarm zu gewährleisten, müssen standortbedingt ausreichend große Flächen in die Verdunstungsbeete entwässern und darüber hinaus entsprechend große Speichervolumina zur Verfügung gestellt werden. Bei der Optimierung des Gesamtsystems spielen Hofdurchlüftung und Geometrie der Pflanzflächen auch eine wichtige Rolle. Ferner sind der Kühleffekt und der Einfluss auf das Wohlfühlverhalten durch weitere Untersuchungen und Simulationen zu beziffern.

Für weitere Informationen über die Evapotranspiration der Vegetation am RWF-Standort siehe auch Masterarbeit von Vivien Franck “The Roof Water-Farm Stormwater Management Concept” (unter: Publikationen/Studienarbeiten).