|Innenstadt Berlin, Potsdamer Platz, Eigenschaften des Quartiers

Das RWF-Untersuchungsgebiet Innenstadt Berlin/ Potsdamer Platz steht beispielhaft als repräsentative Innenstadtlage in Berlin: „Der Leipziger und Potsdamer Platz waren um die Jahrhundertwende bis zur Zerstörung in den 40er Jahren ein Symbol für die Metropole des frühen 20. Jahrhunderts mit ihrer quirligen Lebendigkeit und Mondänität. Erst nach der Wiedervereinigung gelang es, diesen Ort als neues innerstädtisches Quartier wieder aufzubauen und die Verbindung zwischen dem historischen Zentrum und der City West wieder herzustellen. Als Geschäftszentrum mit den Niederlassungen großer Firmen, vielseitigen Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitangeboten und nicht zuletzt als größte europäische Baustelle in den 90er Jahren steht dieser Stadtbereich nun wieder im Fokus des internationalen Interesses“.[1]

Die Zeitschrift der Spiegel illustrierte die ereignisreiche Geschichte des Potsdamer Platzes 2008 als „die Mutter aller Kreuzungen“ (…) Er ist gar kein echter Platz und scheußlich obendrein. Am Potsdamer Platz mitten in Berlin kreuzten sich drei Jahrhunderte lang Menschen, Verkehr und Geschichte. Geschmäcklerische Kritik kratzt ihn heute nicht mehr – für eine Brache hat er es in zehn Jahren weit gebracht“[2].

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde aus der ehemaligen Brache die größte Baustelle Europas. In einem Jahrzehnt wuchs ein Viertel, das Boom statt Brache ausstrahlte: Globale Unternehmen der Automobil- und Entertainmentbranche bauten hier gemeinsam mit Stararchitekten und mit Planung der Stadt Berlin ein Einkaufs-, Geschäfts- und Entertainmentzentrum[3].

Unweit des Potsdamer Platzes befinden sich heute ein Wohnquartier bestehend aus Blöcken der südlichen Friedrichstadt mit Bauten aus den verschiedensten Epochen. Im Innenhof des Baublocks 6 befindet sich die RWF-Pilotanlage, genauer im Innenhof der Bernburger Straße 22. Das Areal stand im Fokus der Internationalen Bauausstellung 1987: „Innenstadt als Wohnort“ war das Motto der IBA ’87. Es galt, die Defizite des Nachkriegs-Städtebaus zu beheben und modellhaft neue Lösungsansätze in vernachlässigten und damals durch die Teilung der Stadt in Randlage gedrängte Gebiete zu erproben“[4]. Die IBA ’87 lässt sich durch Eingriffe im innerstädtischen Bereich charakterisieren. Gestaltungsfragen sollten mit sozialen Ansprüchen zusammengeführt werden, menschlich und künstlerisch anspruchsvolle Architektur und Städtebau sollten hervorgebracht werden. Die vorhandenen Stadtstrukturen und die Geschichte der Orte sollten respektvoll behandelt werden, die funktional dichte und nutzungsgemischte Stadt mit urbanem Straßenbild war eines der Leitbilder der IBA `87. Die Südliche Friedrichstadt, war einer von sechs sehr unterschiedlichen Standorten, welche sich in die IBA Alt-Bau (Kreuzberg: Luisenstadt, SO 36) und die IBA-Neubau (Tegel, Prager Platz, Südliches Tiergartenviertel, Südliche Friedrichstadt) unterteilten[5].

Im Untersuchungsgebiet unweit des Potsdamer Platzes finden sich daher experimentelle, sozial und ökologisch orientierte Wohnbebauungen, die im Kontext der IBA `87 errichtet bzw. rekonstruiert wurden. Dazu gehört der Block 6 als Projekt des Ökologischen Stadtumbaus: “Der ökologische Stadtumbau war zu Beginn der IBA ’87 kein vorrangiges Ziel, gewann aber im Laufe der Zeit immer größere Bedeutung. Im Rahmen der Projekte wurden ökologische Baumaterialien (z.B. Holz) und neue Techniken ausprobiert (z.B. Blockheizkraftwerke, Pflanzenkläranlage) sowie Projekte zur Verbesserung des Mikroklimas durchgeführt (z.B. durch Hof-, Dach- und Fassadenbegrünungen)“ (…) Die Wohnanlage in der Bernburger / Dessauer Straße (Nr. 49) schließlich gilt bis heute als vorbildliches Projekt in Sachen Wassermanagement. Zwar brachte die eingebaute Pflanzenkläranlage zunächst zahlreiche Schwierigkeiten mit sich, nach einem Umbau 2006 erhielt die Wohnanlage 2009 jedoch sogar eine Auszeichnung im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Über das Wassermanagement besticht das Projekt durch eine frühzeitige Einbeziehung der Bewohner in die Planer, Mietergärten und flexible Wohnungsgrundrisse für unterschiedliche Zielgruppen bzw. unterschiedliche Lebensumstände“ [6].

Das Untersuchungsgebiet steht einerseits beispielhaft für eine hochdynamische, innerstädtische Lage geprägt durch Investition, Tourismus, Entertainment und Konsum verbunden mit beispielhaftem Regenwassermanagement. Ebenso lassen sich hier experimentelle, innovative Ansätze der geförderten Stadtentwicklung zeigen, deren Anliegen die Verbindung von sozialem und ökologischem Wohnungsbau ist.

In der heutigen Stadt sind Fläche und Raum knappe Ressourcen, die Stadt der Zukunft integriert blau-grüne Infrastrukturen und gestaltet Flächen und Räume zunehmend multifunktional. Nahrungsmittelproduktion, Freiraum und Teilhabe sind Serviceleistungen zukünftiger Stadtzentren. Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) und Christian Kühn (Die Grünen) haben die RWF-Pilotanlage im Sommer 2015 besucht und diese Anforderungen in einem Video zusammengefasst:

https://www.facebook.com/Gruene.im.Bundestag/videos/10153683965080116/

Auch Thomas Gith geht in seinem Radiobeitrag der Frage nach, welche Potenziale in der gebäudeintegrierten Farmwirtschaft liegen und wie sich diese in der Stadt der Zukunft entfalten können.

SWR2-Audio-Beitrag vom 14.07.15, Neue Ideen für die Landwirtschaft, Autor: Thomas Gith