|UpScaling der ROOF WATER-FARM Technologie

Um die gebäudetypologische Einbindung von ROOF WATER-FARMen im Quartier zu untersuchen, wurden auf der Gebäudeebene Gebäudestudien durchgeführt. In den Gebäudestudien wird die bauliche Anwendung möglicher RWF-Varianten im Zusammenspiel der Gewerke Architektur, Wassertechnik und Farmbetrieb beleuchtet. Gebäudepässe vereinfachen wesentliche Ergebnisse. Neben Aussagen zur allgemeinen baulichen Machbarkeit enthalten sie Kenndaten und illustrieren Gestaltungsoptionen, mögliche Produktpaletten und Betreibermodelle der häuslichen Wassertechnik und des Farmbetriebs. Gebäudestudien und Gebäudepässe dienen als Planungs- und Kommunikationswerkzeug, um wesentliche Übertragbarkeitsprinzipien der RWF-Technologie auf Gebäudeebene und im Kontext des Stadtquartiers darzustellen. Mögliche bauliche Transformationen werden hier abgebildet, und die Anwendung im Stadtraum wird illustriert.

|RWF-Gebäudetypologien und Betreibermodelle

Auf der Maßstabsebene eines Gebäudes werden in einem Upscaling die bauliche Anwendung der ROOF WATER-FARM Technologie und mögliche Betreibermodelle untersucht und visualisiert. Fokussiert werden vor allem Bestandsbauten, speziell ihre wasserspezifischen Eigenschaften (z.B. Anfall relevanter Mengen an Grauwasser, Nutzungsmöglichkeit von Regenwasser, Potenziale an Schwarzwasser urbane Flüssigdüngerproduktion etc.) sowie die farmbezogenen Bedarfe der Nutzergruppen im Gebäude und Quartier. Typische Gebäudenutzungen wie z.B. Wohnen, Gewerbe oder Bildung produzieren gebäudespezifische Wasserströme. Wohngebäude produzieren dabei viel Grauwasser (Küche, Bad), während bei Schul- oder Gewerbebauten vergleichsweise weniger Grauwasser anfällt und daher das Nutzen und Aufbereiten von Regenwasser oder Schwarzwasser für das individuelle ROOF WATER-FARM Design interessant sein kann. [1]

Im Projekt ROOF WATER-FARM (RWF) werden im Abgleich mit dem Objektschlüsselkatalog Berlin [2] typische Gebäudenutzungen wie z.B. Wohnungsbau, Gewerbebau oder Bildungsbau als Gebäudetypologien bezeichnet. Anhand von gebäudebezogenen Auswahlkriterien (Baustruktur, Häufigkeit/Übertragbarkeit im Stadtraum, Nutzergruppen, Abwassserströme) wurden die sechs Gebäudetypologien (Typ 1 Wohnungsbau, Typ 2 Gewerbebau, Typ 3 Bildungsbau, Typ 4 Hotelbau, Typ 5 Sonderbau Wohnen und Typ 6 Transformationsbau) als relevant für das Upscaling ausgewählt. Diese werden mit den jeweiligen RWF-Varianten verknüpft und als Fallbeispiele zur weiteren Übertragbarkeit untersucht.

Für die Grauwassernutzung muss das Gebäude über eine doppelte Leitungstechnik verfügen (separate Grau- und Schwarzwasserableitung sowie separate Betriebswasser- und Trinkwasserzuleitung). Dies ist im Besonderen bei anstehenden Strangsanierungen oder aber im Zuge von Neubauvorhaben mit einzuplanen, wobei Letzteres mit vergleichsweise weniger Mehrkosten bei der Investition verbunden ist (rund 500 Euro/Wohnung für das zweite Leitungsnetz, etwa 500 Euro/Person für die Anlagentechnik)[3]. Bei gängigen Block- oder Zeilenbaustrukturen ist für den Dachgewächshaus-Aufbau im Sinne einer ROOF WATER-FARM von einer grundsätzlichen baukonstruktiven Eignung auszugehen. In den Bereichen, in denen hohe Eigenlasten aufgestellt werden (Tanks mit Fischzucht, Sedimentationsbecken), ist mit einer Verstärkung des Daches in Form von Stahlträgern (von tragender Wand zu tragender Wand gespannt) zu rechnen. [2] Durch die mögliche Anwendung aller vier RWF-Varianten ist – neben Gewerbe- und Hotelbauten, Bildungsbauten oder sogenannten Transformationsbauten wie etwa umgenutzten Industriebauten oder aber mobilen Containerbauten – die Typologie Wohnungsbau besonders interessant für RWF-Technologien

  • TYP 1 Wohnungsbau: Der Gebäudetyp Wohnungsbau weist rund 40 Prozent Dachflächennutzungspotenzial bezogen auf alle Flachdächer Berlins auf. Zwar haben von den 535.920 erfassten Gebäuden in Berlin lediglich 13% Flachdächer mit mehr als 50 m² nutzbarer Fläche. Allerdings lebt mit rund 57% der Großteil der 3,4 Mio. erfassten Einwohner in diesen Gebäuden und trägt so maßgeblich zur häuslichen Abwasserproduktion bei.[1][4] Es fallen sowohl Regenwasser und Grauwasser als auch Schwarzwasser im Gebäude in relevanter Menge an. Für die bauliche Realisierung kommen daher alle vier RWF-Varianten in Frage. Interessant ist vor allem die dezentrale Aufbereitung von Grauwasser als nutzbare Ressource (Betriebswasser und Energie) im Gebäude und für das Farming auf dem Dach oder im Hof. Der Grauwasseranteil macht ca. 70% des Abwasserstroms in Wohngebäuden aus.
    Die grundlegende Übertragbarkeit aller vier RWF-Varianten wurde im Rahmen der RWF-Gebäudestudie nachgewiesen. Großwohnsiedlungen – z.B. Plattenbausiedlungen [5] im RWF-Untersuchungsgebiet Stadtrand – besitzen ein hohes Entwicklungspotenzial aufgrund der verfügbaren Dachflächen. Das Fallbeispiel Wohnungsbau verdeutlicht beispielhaft die stadträumliche Übertragbarkeit: Entwickelt wurden ein mögliches kommerzielles Betreibermodell mit Grauwassernutzung und ein nicht-kommerzielles mit Regenwassernutzung. Im RWF-Gebäudepass Wohnungsbau sind diese jeweils für den Aquaponik- und den Hydroponik-Dachfarmbetrieb dargestellt. Zudem wurden hierzu beispielhafte Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt.
  • TYP 2 Gewerbebau: Im Fokus der Anwendungsbetrachtung stehen Bürobauten (Industriebauten mit spezifischen Abwasserströmen sind nicht Gegenstand der Untersuchung). Nutzer sind Angestellte und Mitarbeiter. Es fallen vor allem Regenwasser und Schwarzwasser in relevanter Menge an. Daher kommen besonders die Regenwasser-Varianten (RWF III, IV) mit optionaler Schwarzwasser-zu-Flüssigdünger-Aufbereitung in Frage. Das Fallbeispiel des Büro- und Ausbildungsstandortes der Berliner Stadtreinigung (BSR) [6] im Untersuchungsgebiet Mierendorff-Insel zeigt die bauliche Machbarkeit und ein mögliches Betreibermodell mit innovativer urbaner Flüssigdüngerproduktion. Der RWF-Gebäudepass Gewerbebau illustriert und kommuniziert Regenwassernutzung und Schwarzwasseraufbereitung für ein Hydroponik-Dachgewächshaus, angeknüpft an eine RWF-Kantine und ein RWF-Kompetenzzentrum am Gewerbestandort für potenzielle Akteure und als zukunftsfähiges Modell des Urban Water-Minings verknüpft mit dem Urban Water-Farming.
  • TYP 3 Bildungsbau: Im Falle der vorrangig betrachteten Schulbauten sind die Nutzer Lehrer und Schüler. Hier fallen vor allem Regenwasser und Schwarzwasser in relevanter Menge an. Für bauliche Realisierungen kommen daher vorrangig die Regenwasser-Varianten (RWF III, IV) mit “indirekter Schwarzwassernutzung” (z.B. über den Flüssigdünger-“Goldwasser”-Import aus Nachbargebäuden oder -quartieren) in Frage. Für einen Schul-Typenbau im Untersuchungsgebiet Stadtrand wurde eine RWF-Anwendungsuntersuchung mit Aussagen zur baulichen Machbarkeit und zum möglichem Betreibermodell durchgeführt und als RWF-Gebäudepass zusammengefasst. Die Vision besteht hier in einem auf die Schulkantinenversorgung und Themen zeitgenössischer Schulbildung zugeschnittenen Betreibermodell.
  • TYP 4 Hotelbau: Nutzer sind Gäste und Touristen. Es fallen vor allem Grauwasser und Schwarzwasser in relevanter und stetiger Menge an. Aufgrund des hohen Potenzials sind daher die Grauwasser-Varianten (RWF I, II) besonders interessant. Am Beispiel des SCANDIC Hotels am Potsdamer Platz, im RWF-Untersuchungsgebiet Innenstadt und weiterer Standorte werden mögliche Betreibermodelle für Wasch-, Spül- und Reinigungszwecke verknüpft mit Wärmerückgewinnung für Heizzwecke in Verbindung mit Event-Gastronomie und hoteleigener Farmproduktion szenarienhaft entworfen.
  • TYP 5 Sonderbau Wohnen: In Abgrenzung zu klassischen Wohnungsbauten (z.B. Zeilen- und Blockbauten) fallen hierunter z.B. Studentenwohnheime oder Kitas. Nutzer sind die Bewohner. Es fallen alle betrachteten Wässer (Regenwasser, Grauwasser, Schwarzwasser) im Gebäude in relevanter Menge an. Am Beispiel eines Studentenwohnheim in der Nähe der RWF-Pilotanlage am Block 6 und weiterer Berliner Standorte lassen sich einfache und erweiterte Betreibermodelle zum Wasser- und Farmbetrieb aufzeigen. Im Falle einer hydroponischen Dachfarm mit Regenwassernutzung könnten z.B. studentische Start-up-Unternehmen zunächst mit einer einfachen, saisonalen Alltags-Produktpalette nach dem Modell der Gemüsekiste (z.B. Tomate, Spinat, Salat) an den Markt gehen.
  • TYP 6 Transformationsbau (sozial, kulturell, post-industriell): Die Nutzer mobiler, umgenutzter industrieller oder temporärer Gebäude bilden eine „bunte Mischung“ an Akteuren und kommen z.B. aus der Kreativwirtschaft und aus dem Bereich Kultur, Soziales und Nachhaltigkeit. Ein Transformationsbau kann somit ein mobiler „Do-It-Yourself-Bau“ wie z.B. ein umgebauter Industriecontainer sein oder etwa eine ehemalige Fabrik, die sich in einen Kultur- und Kreativwirtschaftsstandort verwandelt hat. Es fällt vor allem Regenwasser in relevanter und stetiger Menge an. Für die städtebauliche Anwendung kommen daher vor allem die Regenwasser-Varianten (RWF III, IV) mit indirekter Schwarzwassernutzung über den Import von Flüssigdünger (“Goldwasser”) aus Nachbargebäuden/-quartieren in Frage. Zudem erscheinen flexible Nutzungsformen wie etwa “Shelter Modelle[7] – als Kombination gemeinschaftlichen Wohnens und Selbstversorgens – besonders im Untersuchungsgebiet Transformationsraum als geeignet und nachgefragt. So es sich um neue mobile Wohnformen handelt, sind hier auch die Grauwasservarianten (RWF I, II) interessant. Mögliche Betreibermodelle können vom RWF-Farmcontainer zur täglichen Versorgung, von der temporären Unterkunft oder dem temporären Showroom mit Kochschule bis hin zum mobilen Klassenzimmer reichen.

Bei der Anwendung von ROOF WATER-FARM Technologien auf ausgewählte Gebäudetypologien (UpScaling) werden die zwei Kreislaufprinzipien verfolgt:

|Kreislauf 1 – Water-Mining: Wasser und Nährstoffe vom Gebäude ernten

Grauwasser und/oder Regenwasser werden gesammelt und aufbereitet, um es unbedenklich und ohne Komfortverlust als Service- bzw. Betriebswasser mit Mindeststandard EU-Badegewässerqualität [8] [9] dezentral wiederzuverwenden. Zudem kann Schwarzwasser dezentral aufbereitet und in einen urbanen Flüssigdünger (Produkt “Goldwasser”) umgewandelt werden, um wertvolle Nähr- und Mineralstoffe wie N (Stickstoff), P (Phosphor) oder K (Kalium) im Sinne des “Water-Minings” und als besondere Form des Urban Minings zurückzugewinnen.  [3] [10]

|Kreislauf 2 – Water-Farming: Nahrung im und für das Gebäude mit Fischen und Pflanzen produzieren

Das aufbereitete Betriebswasser kann für Zwecke der Freiraum- und Gartenbewässerung, der Gebäudekühlung bis hin zur wasserfarmbasierten Nahrungsmittelproduktion wiederverwendet werden. Hydroponik und Aquaponik sind als gebäudeintegrierbare Water-Farming-Strategie flächen- und ressourcenschonende urbane Nahrungsanbausysteme hoher Produktivität. Als Leichtbausysteme sind sie im Vergleich zu erdbasierten Farmanbausystemen einfacher in, an oder auf Gebäudeoberflächen zu integrieren (Dächer, Fassaden, Atrien). [11]